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Weinpredigt

18. Februar 2018 @ 9:30 - 10:30

In einem Gottesdienst wurde in der Predigt der Text 5. Mose 20.6 ausgelegt.

 

Bibeltext ganzer Abschnitt:

201 Wenn du in den Krieg ziehst gegen deine Feinde und Pferde siehst und Wagen und ein Volk, das grösser ist als du, dann fürchte dich nicht vor ihnen, denn der HERR, dein Gott, ist mit dir, der dich heraufgeführt hat aus dem Land Ägypten.

2 Wenn ihr zum Kampf ausrückt, soll der Priester herzutreten und zum Volk sprechen

3 und ihnen sagen: Höre, Israel! Ihr rückt heute aus zum Kampf gegen eure Feinde. Euer Herz verzage nicht, fürchtet euch nicht, und ergreift nicht die Flucht, und erschreckt nicht vor ihnen.

4 Denn der HERR, euer Gott, zieht mit euch, um für euch mit euren Feinden zu kämpfen, um euch zu retten.

5 Dann sollen die Amtleute zum Volk sprechen und sagen: Wer hat ein neues Haus gebaut und es noch nicht eingeweiht? Der gehe heim in sein Haus, sonst stirbt er im Kampf, und ein anderer wird es einweihen.

6 Und wer hat einen Weinberg gepflanzt und seine ersten Trauben noch nicht genossen? Der gehe heim in sein Haus, sonst stirbt er im Kampf, und ein anderer wird die ersten Trauben geniessen. 

7 Und wer hat sich mit einer Frau verlobt und sie noch nicht geheiratet? Er gehe heim in sein Haus, sonst stirbt er im Kampf, und ein anderer heiratet sie.

8 Und weiter sollen die Amtleute zum Volk sprechen und sagen: Wer fürchtet sich und hat ein mutloses Herz? Der gehe heim in sein Haus, sonst macht er auch das Herz seiner Brüder so mutlos, wie sein eigenes Herz mutlos ist.

9 Wenn dann die Amtleute ihre Rede an das Volk beendet haben, soll man Heerführer an die Spitze des Volkes stellen.

10 Wenn du vor eine Stadt ziehst, um gegen sie zu kämpfen, dann sollst du ihr Frieden anbieten.

Predigt:

Liebe Gemeinde

In der heutigen Armee würde der Grund, dass man sich einen neuen Weinberg angelegt hat, kaum genügen für eine Dispensation vom Kriegsdienst. Betrachtet man die vier biblischen Dispensationsgründe vom Dienst etwas genauer, kann man fundamentale Pfeiler des Lebens ausmachen:

Zuerst ist das Haus genannt: Wer gebaut hat, soll zuerst darin wohnen. Das Haus oder Zuhause als fundamentale Lebensbasis. Man zieht in den Krieg von einem Haus aus, um möglichst unversehrt wieder nach Hause zurückkehren zu können. Das Haus, die Wohnung, ein Ort, wo man sich zu Hause fühlt, wo man sich zurückziehen kann. Ein Hort der Geborgenheit soll zuerst vor dem Krieg erlebt werden können.

Nach dem Haus kommt der Weinberg als Grund für das erlaubte Fernbleiben vom Krieg. Der Wein einerseits als Nahrungsmittel und andererseits als Genussmittel. Dies erstaunt, dass vor dem Kriegsdienst, der das Leben gefährdet, dem Menschen der Genuss zugestanden wird.

Ja, noch vor der fundamentalen Beziehung vom Mann zu Frau und umgekehrt. Diese Partnerbeziehung prägt wie keine andere das Leben und gehört zu den Basisbedürfnissen der Menschen.

Als letzter Grund einer Dispensierung vom Militärdienst wird die Verzagtheit genannt, damit die Mutlosigkeit eines Soldaten, nicht die andern ansteckt.

Überhaupt haben all diese vier Gründe einen ganz praktischen Sinn: Nur wer ganz bei der Sache ist im Krieg, hat eine Chance zum Sieg. Wer den Gedanken von zu Hause, Weib oder Weinberg nachhängt, gefährdet zuerst sicher sich selber durch seine Unaufmerksamkeit. Dann aber auch die der Kameraden, die sich unter Umständen auf ihn verlassen müssen, um z.B. ruhig schlafen zu können, während einer wacht.

Nur Leute, die voll da sind, und sich mit Gottvertrauen in Dienst nehmen lassen, sollten nach unserem Text in die Truppe aufgenommen werden. Das Gottvertrauen ist dem Verfasser des Bibeltextes wichtig. Lieber wird mit einer kleineren Truppe gekämpft, als mit Leuten, die vom Leben noch zuwenig gekostet haben. Lieber vertraut man auf Gottes Hilfe, als dass man Leute heranzieht, die noch nicht ein Grundmass an Lebenserfüllung genossen haben. Dies widerspricht eigentlich der menschlichen Logik, denn eine möglichst grosse Truppenstärke scheint rational noch immer der beste Weg zum militärischen Sieg zu sein, jedenfalls früher in der Antike.

Hier wird nun anders gewichtet und dies scheint mir auch die bleibende Bedeutung des Textes zu sein, die auch heute im Leben angewendet werden kann.

Prioritäten werden bei Gott anders gesetzt. Zuerst soll der Mensch bekommen, geniessen und nicht zuerst verzichten müssen. Das tönt zunächst recht provokativ, sind wir doch gewohnt, die Dinge im christlichen Umfeld vom Ausspruch: «Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich und nehme das Kreuz auf sich», zu hören. Ich hoffe später den Widerspruch dieser zwei Aussagen etwas entschärfen zu können.

Dass zuerst im biblischen Kontext das Empfangen angesagt ist, dafür gibt es viele Beispiele: Die Schöpfung wird den Menschen geschenkt und zur Nutzung ausdrücklich überlassen. Die Einladung an den Abendmahlstisch gilt allen Menschen, sogar Judas, der Verräter war von der bedingungslosen Liebe Gottes nicht ausgeschlossen. Wenn Jesus den Menschen begegnete, liess er sich auf ihre Probleme ein und verlangte nicht zuerst eine Vorschussleistung, das Kommen zu ihm war vorerst genug. Denken wir nur an den Zöllner Zachäus wie er auf einen Baum kletterte um Jesus sehen zu können, denn er war von Statur klein gebaut. Jesus stoppte, beehrte den verachteten Zöllner mit seiner Gegenwart und feierte mit ihm ein Fest.

Im praktischen Leben sind wir auch zunächst empfangende, nämlich als Kinder. Das Leben bekamen wir von den Eltern geschenkt und auch in der Jugendzeit waren wir meist empfangende.

Ich glaube, dass man wirklich erst loslassen kann, wenn man empfangen hat, wenn man genossen und gekostet hat. Letztlich geht es beim biblischen Text ja um das Loslassen von Haus, Weinberg und Frau im Angesicht des drohenden Verlustes des Lebens während des Kiregsdienstes.

Mir ist noch sehr eindrücklich eine Aussage von einer Nonne in Erinnerung. Ich sagte ihr, dass ich Mühe hätte mit dem Loslassen von materiellen Dingen. Ich erlebte den Loslösungsprozess von materiellen Dingen bei dieser Frau persönlich, sie war meine beste Studienkollegin, die sich für das kontemplative Klosterleben entschied. Ich brachte ihre Möbel, Bücher und mehr zum Kirchenbasar. Sie sagte mir, um loslassen zu können, muss man etwas zum loslassen haben. Darum komme vor dem Loslassen das Erleben und Geniessen dessen, was losgelassen werden möchte. Ich war auf diese positive Lebenseinstellung dieser Frau nicht gefasst, aber ihre Wahrheit erlebe ich je länger je mehr.

Wer nicht wirklich im Leben verwurzelt ist, kann das Leben nicht wirklich schätzen und vielleicht später auch richtig loslassen. Der Weinberg steht hier für mich als Symbol dafür.

Einen Weinberg anlegen bedeutet zunächst einmal eine grosse Arbeitsleistung. Den Rebberg abgrenzen, eine intensive Bodenbereitung, Drahtanlagen oder Stickel aufbauen, ca. 30 cm tiefe Löcher ausheben, die Reben an den Wurzeln beschneiden, setzten angiessen und aufbinden. Dies nur einige der Arbeiten die geleistet werden müssen um dann später den Weines so richtig geniessen zu können.

Das Leben fordert mich, ich muss auch leisten um geniessen zu können. Aber ganz wichtig scheint mir eben, dass der Genuss auch von Gott her gewollt ist. Es ist mehr als eine kleinliche Erlaubnis oder ein Zugeständnis mangels der Schwachheit der Menschen. Für mich ist das Symbol der Dienstbefreiung angesichts des neu angelegten Weinberges wirklich eine Liebe Gottes zu den Menschen, die das Wohlsein des Menschen sein Wohlergehen zum Zentrum hat. Gott gönnt dem Menschen Freuden. Das Schwere der Krieg wird nicht aufgehoben, aber der Mensch soll zuerst „gehabt haben“, bevor er loslassen kann. Gottes Güte und Gnade sollen dem Schweren vorlaufen.

Das tönt jetzt recht schön, zugleich scheinbar auch ein bisschen wirklichkeitsfremd. Wie steht es mit dem persönlichen Erleben? Es haben doch nicht alle Menschen ihre eigenen Häuser, einen schönen Weinberg, symbolisch umgesetzt, die Möglichkeit zur Lebensfreude und Genuss. Manche haben auch keine Partnerin oder Partner. Einige sind in einem Land zur Welt gekommen, wo es vor allem Hunger und Elend gibt, wo soll da die Güte Gottes Platz haben?

Ich muss gestehen, hier komme ich mit der Realität und der These, dass Gott es mit den Menschen grundsätzlich gut meint, etwas in Erklärungsnöte. Eine fertige Antwort habe ich nicht, höchstens die vierte Gruppe der Dienstbefreiten, die Mutlosen, könnte unter Umständen krückenhaft als Erklärungshilfe nutzbar gemacht werden. Die Mutlosen, also diejenigen, welche eher Mühe haben mit dem Leben, denen wird auch der Schonraum der Dienstbefreiung angeboten.

Vielleicht haben wir alle diesen Schutzraum bisweilen nötig, wenn wir Schweres durchleben müssen. Insbesondere dann, wenn wir im Leben eben Dinge loslassen müssen, die wir vielleicht noch nicht richtig gekostet haben. Zum Beispiel ist nicht allen eine glückliche Jugendzeit beschieden. Diese Leute müssen mit emotionalen Defiziten, Sehnsüchten etc. ins Erwachsenenleben einsteigen, wo plötzlich doch Leistung, Dienst gefordert ist. Wie gehen wir damit um, wenn uns selber einzelne Lebensbereiche nur mangelhaft oder gar nicht erfüllt worden sind. Kein eignes Haus, kaum Geld oder Arbeit, gescheiterte Beziehungen, angeschlagene Gesundheit. Beispiele gibt es viele.

Für mich kommt hier der Gedanke an den alttestamentlichen Gott zu Hilfe: Gott ist mit Dir unterwegs: Denn der Herr euer Gott zieht ja mit euch. Fürchte dich nicht, euer Herz verzage nicht. Solche Aussagen begleiten diesen Text. Die Spannung von erlebter Realität mit seinen Mängeln und die biblischen Zusprüche von erfüllten ganzheitlichen Leben, löst sich für mich dort, wo ich ruhig werde in Gott. Das heisst praktisch, dass ich mir das Augustinuswort: «Mein Herz ist unruhig, bis es ruht in Dir», versuche vor Augen zu halten. Das heisst, wenn ich mich nach aussen, also nach meinen Wunschvorstellungen allein orientiere, bin ich unruhig, hadere mit Gott, da nicht alle Wünsche erfüllt worden sind. Mit dem Blick nach innen, dass ich sein darf wie ich jetzt gerade bin, stellt sich eine Art „loszulassen“ meiner Sehnsücht bezüglich der Wirklichkeit ein. Das äusserliche Ergehen verliert so die Schärfe. Gestehe ich mir sogar einen Dispensierungsgrund wie in unserem Text und sei es auch nur eine momentane Mutlosigkeit zu, beruhigt sich mein Inneres, denn ich fühle mich hineingenommen in Gottes Gnade und Fürsorge auch wenn sie vielleicht im Moment nicht äusserlich sichtbar, dafür innerlich erfahrbar ist, indem ich mein inneres ruhiger wird und das Äussere an Wichtigkeit verliert. Dieser aufgezeigte Prozess heisst in der Bibel Glaube oder Vertrauen.

Bin ich an dem Punkt angelangt, dass wie ein Übergeben der Sehnsüchte und des Schweren im Leben in Gottes Hände stattgefunden hat, bin ich wie frei, um mich dem Dienst zu stellen, mich ins grosse Loslassen zu begeben. Nämlich eben dort, wo das bewusste fallen lassen der eigenen Wünsche stattfindet, biblisch gesprochen, das Verleugnen, dort kann ich das Kreuz nehmen. Erst durch die Läuterung, der Bewusstwerdung der eigenen Wünsche und durch den Schmerz der Diskrepanz von Sehnsucht und Wirklichkeit ist eine Nachfolge aus reinem Herzen möglich, das nicht durch himmlisches Vergeltungsdenken und Jenseitssicherung gelenkt ist.

Die materiellen und spirituellen Grundlagen sind eigentlich geschaffen, alle haben wir das Leben geschenkt bekommen und mit ihm auch die Möglichkeit und Erlaubnis davon vollen Gebrauch zu machen. Alle sind wir zum Tisch des Herrn, also zum Abendmahl berufen um wiederum die Gnade Gottes ganz bildhaft und real in Brot und Wein geniessen zu dürfen. Ganz handgreiflich wird uns die Güte Gottes in einem Stück Brot und einem Schluck Wein angeboten: So wahr Du das Brot kaust und schmeckt, so wahr will Gott das beste für Dich, So wahr Du einen Schluck Wein geniesst, so wahr liebt Gott dich und hat erbarmen mit Dir.

Ist einer unter euch, der einen Weinberg angelegt und davon nicht genossen hat? Er trete weg und kehre nach Hause zurück, damit er nicht im Kampfe fällt und ein anderer den Genuss davon hat.

Amen

 

Details

Datum:
18. Februar 2018
Zeit:
9:30 - 10:30

Veranstalter

Evangelisch reformierte Kirchgemeinde Gampelen-Gals, Pfr. Martin-Chr. Thöni
Telefon:
032 313 16 51
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